"Architektur zwischen Gebrauchsgegenstand und Kunst"

Adrienne Goehler

Adrienne Goehler ist Kuratorin des Hauptstadtkulturfonds, sie steht mit beiden Beinen auf der Erde: mit einem in der hochfliegenden Kunstszene, mit dem anderen mitten in den Niederungen der Politik.


Diskussion

Frage Moderation:
Frau Goehler, man bekam in den letzten Jahren den Eindruck, die Bauherren wollten nach der Asbestsanierung des Palastes der Republik die Phantasie des Betrachters mit einer abgehalfterten Fassade von vornherein abtöten und ihren 2002 "einsam" getroffenen Beschluss im Deutschen Bundestag für den Abriss des Gebäudes bei der Bevölkerung im Nachhinein legitimieren.

Sie haben sich immer dafür stark gemacht, dass dem Nutzer dieser Stadt auch eine andere Seite der Medaille zugänglich gemacht wird. Dies ist mit der Zwischen-Palast-Nutzung und rund 40.000 Besuchern im Rohbau des Palastes der Republik gelungen.

Was für ein Resümee ziehen Sie jetzt daraus? Wie sieht der nächste Schritt aus?

Antwort Frau Goehler:
Vielleicht darf ich einleitend darauf hinweisen, dass der Beschluss im Deutschen Bundestag nicht "einsam" gefällt wurde, sondern durch eine Internationale Expertenkommission "Historische Mitte Berlin".

Anmerkung Moderation:
Wir wissen alle leider nur zu gut, daß jedes Ergebnis einer "Expertenkommission" - ähnlich wie bei Wettbewerben das Ergebnis einer "Jury" - nur so gut sein kann, wie die Experten bzw. die Jury selbst und so unabhängig, wie es die Auswahl der Experten bzw. die Jury im Vorfeld zulässt...

Antwort Frau Goehler:
...dass "Ständepolitik" eine Rolle bei der Internationalen Expertenkommission "Historische Mitte Berlin" gespielt hat, lässt sich natürlich schwer übersehen...

Anmerkung Moderation:
...nun wollen wir aber wieder zum Ausgangspunkt meiner Frage zurückkehren...

...Bundestagspräsident Thierse (SPD) will das Schloss, die CDU-Vorsitzende Merkel sagte vor 1500 Zuhörern des Spitzenverbandes der Industrie (BDI) im Palast der Republik "das Ding muss weg und zwar sofort", Senatsbaudirektor Stimmann und die Senatorin für Stadtentwicklung Junge-Reyer sehen an diesem Ort bereits das Planwerk Innenstadt im Stil des 19. Jahrhunderts heranwachsen, Staatsministerin Weiss (parteilos) beharrt auf dem Palast-Abriss. Hingegen sprechen die Besucher des Palastes, ob BDI-Industrielle oder Mc Kinsey-Berater, oder die vielen anderen Besucher von einer "gigantischen Atmosphäre". Was soll die nachwachsende Generation kreativer und interdisziplinär denkender Planer dieser Stadt noch anstellen, damit der stockende Dialog mit den Bauherren wieder in Gang kommt und der überstürzte Abrissbeschluss zugunsten einer nachhaltigen Perspektive für die Stadt revidiert wird?

Antwort Frau Goehler:
Indem Architekten aktiv werden, mit Ideen und Entwürfen für diesen Ort! Bis jetzt gab es da kaum etwas zu sehen...

Anmerkung Moderation:
...da muss ich aber an dieser Stelle die Architekten vehement verteidigen. Seit Jahrzehnten nehmen sie - geradezu selbstausbeuterisch - an internationalen und nationalen Wettbewerben teil - Ausgang ungewiss. Man kann Architekten nicht dazu missbrauchen Bauherr, Nutzer und Planer in einer Person zu sein, nur weil Bauherren im Vorfeld nicht in der Lage sind realistische Nutzungskonzepte auf einer finanziell realistischen Basis zu entwickeln.

Wie bringt man einen öffentlichen Bauherren dazu, vor dem endgültigen Abrissplan erst einmal einen Aufbauplan zu entwickeln, der die Frage der Zuständigkeiten Bauherr, Nutzer und Architekt im Vorfeld eindeutig klärt und nicht - wie bei der Dauerbaustelle "Topographie des Terrors" Geld, Geist und Kreativität vieler Beteiligter über Jahrzehnte sinnlos vernichtet?

Antwort Frau Goehler:
Ich glaube Architekten müssen mehr den Dialog führen. Mit den Bauherren, mit den Nutzern - zum Beispiel mit denen des zukünftigen "Humboldt-Forums" - und sie können eine moderierende Funktion in der öffentlichen Diskussion übernehmen.